
Political Correctness – von der Gesinnungspolizei bis zur Meinungsdiktatur
17.05.2021
Schön, dass Sie wieder dabei sind:
Nach fast einem halben Jahr Zwangspause durch meine Krebserkrankung melde ich mich jetzt mit meinem Video zum Thema PC – Political Correctness zurück. Ehrlich gesagt, habe ich dieses Video schon lange drehen wollen. Und wie aktuell und wichtig das Thema ist, das zeigt der neuste PC-Skandal um den Schlagersänger Heino vor wenigen Wochen. Dieser hatte in die Düsseldorfer Tonhalle geladen zu einem „deutschen Liederabend“. Prompt meldete sich die Geschäftsführung der Tonhalle und drohte damit, die Veranstaltung dadurch zu boykottieren, die Plakate nicht aufhängen zu wollen. Der Titel der Veranstaltung suggeriere, es seien nur Deutsche eingeladen. Heino aber wehrte sich und ging mit der Nummer an die Öffentlichkeit – schon bald stand in der Bildzeitung zu lesen, ob Heino ein Hetzer sei, weil er Brahms und Schubert singe. Sein Protest war erfolgreich. Nach einer Aussprache wurden Plakate und Flyer nun doch in Umlauf gebracht.
Heino hat sich als 82-Jähriger nicht ins Bockshorn jagen lassen, er sagte stolz: „Ich bin und bleibe ein deutscher Sänger, der deutsche Lieder singt und die deutsche Sprache liebt“, und er fragte, ob er sich für das Wort „deutsch“ schämen müsse. Überhaupt sei das ganze Gedöns um die korrekte Sprache
völlig übertrieben, weil niemand mehr wisse, was man noch sagen dürfe oder nicht.
Und damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. Dieses Beispiel war auch nun wirklich zu eindeutig, als dass es hätte durchgehen dürfen. Heino lädt zum deutschen Liederabend – zu was denn wohl sonst als deutscher Liedersänger in Deutschland? Soll er zum holländischen Liederabend laden? Und warum soll sich jemand davon abschrecken lassen als Ausländer, zu einem deutschen Liederabend zu gehen? Nochmal, wir sind in Deutschland, da ist nun einmal viel Deutsches um einen herum, besonders die deutsche Sprache in Schrift, Ton und eben auch im Gesang.
Aber die Verrücktheiten um die Political Correctness sind ja auch vor kurzem im Nachbarland Italien zutage getreten: Michelle Hunziker musste sich für einen Auftritt entschuldigen, indem sie sich angeblich über Chinesen lustig gemacht hatte und zwar durch Grimassen und L- statt R-Lauten beim Sprechen. Allerdings handelte es sich um einen TV-Sketch und man darf jetzt fragen: Ist Lachen eigentlich verboten bzw. Parodien? Was darf man denn eigentlich noch sagen? Ist jeder Spaß gleich Hetze? Interessant war deshalb auch Hunzikers Einlassung in ihrer Entschuldigung.
“Mir ist klar geworden, dass wir in Zeiten leben, in denen Menschen empfindlich in Bezug auf ihre Rechte reagieren, und ich war so naiv, das nicht bedacht zu haben”. Exakt das ist der Punkt. Wir leben in Zeiten, in denen Menschen empfindlich in Bezug auf ihre Rechte reagieren. Was gestern noch lustig war, ist heute Rassismus und die Beispiele der angeblichen Verfehlungen werden immer alberner.
Aber woher kommt die Political Correctness überhaupt?
Es handelt sich hier um einen Auswuchs der amerikanischen Identitätspolitik:
Diese hatte ihre Anfänge in den USA in den 1970ern durch Bürgerrechtsbewegungen, die sich für angeblich unterdrückte Minderheiten einsetzen wollten, insbesondere für Frauen und für die Afro-Amerikaner. Die Afro-Amerikaner machen heutzutage 13% der Gesamtbevölkerung Amerikas aus. Nur im Bundesstaat Mississippi wohnen 35 – 40%, auch wenn es einem mehr vorkommt – in den USA sind sie eine echte Minderheit. Nicht jedoch die Frauen. Diese stellen dort ja mindestens 50% – von wegen Minderheitenschutz!
Die Sprachpolizei kam jedenfalls in den 1980ern über die amerikanischen Universitäten dann zu uns und nahm von dort aus auch im Zuge der Digitalisierung und der Globalisierung ihren Lauf.
Und heutzutage, ja heutzutage, gibt es Verlage wie den Duden Verlag, die verlegen allen Ernstes Bücher mit dem Titel „Eine Frage der Moral – Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“, geschrieben von einem Professor, man kann es kaum glauben. Und ich bin sicher, dass dieser sich in Sprachwissenschaften sogar auskennt, aber – ich habe sein Buch tatsächlich gelesen – was er da vertritt, ist hanebüchen.
Womit er allerdings Recht hat und das möchte ich unbedingt auch nochmal klarstellen: Die politischen Debatten sind verroht. Aber nicht wegen angeblich „rechter“ Hetzer im Internet – das können die Linken nämlich auch. Natürlich ist es feige, sich anonym im Internet hinter einem Pseudonym zu verstecken. Aber das findet man tatsächlich auf beiden Seiten.
Und wenn der Autor von „jagen“ und „entsorgen“ spricht, dann hat er sich natürlich auf das Vokabular von z.B. Alexander Gauland direkt bezogen und ich kann da nur sagen: Schade, Sie haben die Äußerung von Markus Söder vergessen, die weitaus krasser war: Er wollte die AfD bis auf das Messer bekämpfen! Es ist unseriös, wenn man dieses Beispiel einfach unterschlägt, zumal es viel härter war als die vorigen.
Die Antwort auf eine hitzige, vielleicht auch rohe politische Debatte kann aber nicht die Zensur sein. Es ist die Mäßigung und ich vermisse den Aufruf dazu, denn allen stünde es gut zu Gesicht, einmal herunter zu fahren.
Der Autor kann jedenfalls nicht verstehen, warum es z.B. so viel Aufregung gab um das Umschreiben von älteren Büchern, um dort bestimmte Wortgebräuche einfach zu eliminieren. Ein Beispiel: Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“ von 1957. 2013 wurde in der Neuauflage das Wort „Negerlein“ gestrichen und durch „Messerwerfer“ ersetzt. Wer das Kapitel kennt, kann den Kontext sicher besser verstehen, für den Normalsterblichen hört sich die neue Formulierung jedenfalls nicht sehr viel jugendfreier an. Man muss außerdem einfach mal verstehen, dass der Begriff „Negerlein“ Ausdruck der damaligen Zeit war und ein Buch von 1957 eben auch ein Zeitzeugnis ist, das durch nachträgliche Eingriffe verfälscht wird, auch wenn es sich nur um ein Kinderbuch handelt.
2009 war es bereits zu einer Umformulierung in Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ gekommen. Hier wurde aus Pippis Vater ein schwedischer Seemann und Südseekönig. Vorher war er ja piratenmäßig unterwegs gewesen und als Negerkönig gepriesen. Nein, böses Wort. Es kam auch hier zur Streichung.
Die Ideologie der sprachlichen Political Correctness kann sogar soweit führen, das selbst der unkommentierte Gebrauch eines Fachwortes als kontaminiert angesehen wird. So kam es im Jahr 2000 zu folgendem Vorfall: Ein Plakat des HVV – Hamburger Verkehrsverbundes warnte in der S-Bahn mit dem Text „Schwarzfahren kostet 60 DM. Irgendwann erwischt es jeden.“ Dieses Plakat führte zu einer Anzeige wegen Diskriminierung. Das Plakat wurde daraufhin aus dem Verkehr gezogen. Ein Sprecher des HVV erklärte dazu, dass man im Unternehmen von EB-Fällen, also Fällen erhöhten Beförderungsentgelts, spreche und in offiziellen Schreiben ja von Fahrgästen ohne gültigen Fahrausweis und nicht von Schwarzfahrern.
Der Vorgang ist deshalb so unverständlich, weil beim Schwarzfahren vermutlich niemand primär oder überhaupt an Menschen mit dunkler Hautfarbe denkt, genauso wenig wie bei Schwarzmarkt, zu dessen Zeiten nach dem Krieg allerdings Menschen mit dunkler Hautfarbe unter der deutschen Bevölkerung kaum vorhanden waren.
Die Sprachreinigung kann wohl kaum schwarze Kleidung als Ausdruck von Trauer beanstanden, aber neuerdings das sog. Blackfacing, also wenn man sich als Weißer das Gesicht schwarz anmalt, um einen farbigen Menschen zu imitieren in der Theater- und Unterhaltungsmaskerade.
Unverfänglich ist aber noch die Bezeichnung Black Box und geradezu schön ist die Feststellung aus der Modebranche „black is beautiful“. Und in der Musikszene grenzt sich die Musik Community auch gern selbst ab mit dem Begriff „black music“ – nur stört sich daran niemand.
Das Kosmetikunternehmen Beiersdorf kam nicht wegen „black“, sondern werden der Verwendung des gegenteiligen Ausdrucks auf die Anklagebank. Es ging um eine internationale Werbekampagne für das Nivea-Deo, das keine Rückstände an weißer Kleidung hinterlässt. Es wurde wegen des verwendeten Werbespruchs „white is purity“ zum Ziel eines Shitstorms in sozialen Medien. Beiersdorf knickte ein und stoppte die so formulierte Werbung. Man darf an dieser Stelle schon noch mal zynisch nachfragen, ob Schnee eigentlich noch „weiß“ genannt werden darf.
Gehen wir noch ein Stück weiter in die Produktwerbung. Wer kennt noch den Sarotti-Mohr? Auch weg, man hat nun einen Magier aus dem Mohren gemacht. Genauso haben sich viele Mohrenapotheken bereits umbenannt wegen Boykott oder einfach öffentlichen Drucks. Dabei kommt Mohr vom griechischen Begriff „mauros“ und steht für „dunkel“ und ist gerade mit dem Beispiel für die Apotheken keinesfalls diskriminierend gemeint, sondern ist Ausdruck einer Ehrerbietung an die Mauren, denen wir unsere heutige Form der Pharmazie zu verdanken haben. Warum man deshalb das Wort Mohrenkopf bzw. Negerkuss aus dem Sprachgebrauch streichen sollte, ist wenig verständlich.
In Deutschland taucht das Wort „Neger“ jedenfalls zuerst im 17. Jahrhundert auf und brauchte 100 Jahre zur Etablierung. Der Sklavenhandel begann übrigens bereits im 15. Jahrhundert, der sich in den USA zwischen 1600 und 1825 abspielte. So viel also zur Vorbelastung des Wortes. Während also noch in den 90er Jahren der Negerkuss ohne Probleme beim Bäcker oder im Supermarkt zu erstehen war, wurde das Wort in den folgenden Jahren Stück für Stück abgeräumt. Ich war in den 90ern ein Teenager und habe die Verunsicherung um das Wort selbst miterlebt: Man traute sich irgendwann nicht mehr, es zu verwenden, weil es auch niemand anders mehr verwendete und es sich auch irgendwie „verboten“ anfühlte.
Was das Wort „Negerkuss“ anging, war man aber schnell fündig mit dem Ersatzwort „Schokokuss“ bzw. Schaumkuss. Was mehr Unsicherheiten bescherte, war die Frage, wie man einen farbigen Menschen nun konkret bezeichnet und diese ist zumindest bei mir bis heute geblieben.
Wieder gibt der Blick nach Übersee einen Eindruck, warum diese Unsicherheit nicht nur eingebildet war, sondern real: In den 90ern setzen sich die Bürgerbewegungen noch vor allem ein für die Rechte der „coloured“ people, also der Farbigen. Dann wandelte sich die Bezeichnung in „black“ people und in Deutschland sprach man von den Schwarzen und nicht mehr von den Farbigen. Darauf folgte „African-Americans“ und damit Afro-Amerikaner und mittlerweile soll es wohl korrekt heißen „persons of African race“, was auf Deutsch dann „Person afrikanischer Rasse“ bedeuten würde und bei uns in Deutschland sicherlich auf erheblichen Widerstand stieße. Einmal weil es eine völlig umständliche Umschreibung ist und einmal wegen „Rasse“.
Rasse, wenn es nicht gerade um Tierrassen geht, ist auch ein Wort auf dem Index, wenn es nach dem Institut für Menschenrechte geht. 2008 wollte der Direktor des Instituts auf sich aufmerksam machen und schlug vor, das man das Wort „nicht unschuldig“ verwenden könne. Es sei nicht nur in Deutschland Träger rassistischer Abwertung und Ausgrenzung. „Der Kampf gegen den Rassismus können nicht glaubwürdig geschehen, wenn man an dem von Anfang an so vergifteten Begriff festhielte“, hieß es.
Auch interessant. Wenn ich das Wort „Rasse“ verbiete als Wort, verdränge ich damit Rassismus. Ist es nicht eher eine naive Annahme, dass man durch das Tilgen eines Begriffes die Tätigkeit selbst tilgt? Wenn es so wäre, könnte man mit guten Gründen vertreten, das Wort „Mord“ aus dem StGB zu streichen in der Hoffnung, es komme damit zu weniger Gewaltverbrechen mit Todesfolge. Was für ein Schwachsinn!
Aber gehen wir noch einmal zurück zur Debatte um den Begriff „Neger“. Wir haben gesehen, dass es wahnsinnig viel Verunsicherung um den richtigen Sprachgebrauch gab und wie man von einem Begriff zum nächsten kam. Dafür gibt es einen Namen: Euphemismus-Tretmühle. Zunächst zur Klarstellung: ein Euphemismus ist ein beschönigender Ausdruck. Der Begriff der Euphemismus-Tretmühle besagt jedenfalls, dass jeder politisch korrekte Euphemismus eines Tages einen negativen Klang annehmen wird, solange sich an den realen Verhältnissen nichts ändert. Es kommt deshalb zu immer neuen Wortschöpfungen für die Bezeichnung eines dunkelhäutigen Menschen oder US-Amerikaners.
Wechseln wir zum Wort „Ausländer“. Mittlerweile gilt der Begriff als ausgrenzend und herabwürdigend. Heute spricht man von „Migranten“. Oder das Zigeunerschnitzel wurde zum Paprikaschnitzel. Es ist egal – die Political Correctness ist überall um uns herum…sogar in langweiligen Schriften wie der Straßenverkehrsordnung: Diese stammt von 1934 und hatte sich erlaubt, nur männliche Personenbezeichnungen zu führen. Seitdem sie 2013 grundlegend reformiert wurde, ist dies vorbei: alle männlichen Bezeichnungen sind ersetzt durch geschlechtsneutrale Formulierungen: Radfahrer und Fußgänger sind weg. Stattdessen bietet man uns tatsächlich Ausdrücke wie „zu Fuß Gehende“ an. Nicht einmal der Ausdruck „jeder Verkehrsteilnehmer“ durfte bestehen bleiben, daraus wurde umständlich: „wer am Verkehr teilnimmt“. Das ist komplette Sprachverhunzung, anders kann man es nicht mehr in Worte fassen.
Dazwischen gab es aber auch öffentliche Diskussionen zu allen möglichen Gedankenspielen: Ein linker Vorsitzender in NRW hatte 2013 laut darüber nachgedacht, die Laternenumzüge in den KiTas und Kindergärten von „Sankt-Martins-Umzug“ in „Sonne-Mond-Sterne-Fest“ umzubenennen, weil er glaube, die Kinder muslimischer Eltern könnten abgeschreckt werden. Ähnliche Gedanken machte sich ein Buchhändler, der nicht von Ostern, sondern vom Hasenfest sprach und wiederum geisterten immer wieder Ideen durch die Presse, die Weihnachtsmärkte in Wintermärkte umzubenennen.
Das ist eine ziemliche Anbiederung an den Islam und an die Einwanderer aus fremden Kulturen, die diese im übrigen auch gar nicht unbedingt wollen. Das ist ja das gesamte Dilemma: Ständig bieten die Deutschen im vorauseilenden Gehorsam irgendwelche abstrusen Veränderungen ihres Kulturguts an, um es anderen vermeintlich Recht zu machen. Da fehlt es an Selbstbehauptung. Wir haben es mit schon fast pathologischen Fällen der Selbstverleugnung und der Selbstaufgabe zu tun. Es geht schließlich in allen Beispielen um die freiwillige (Teil-)Aufgabe christlicher Traditionen.
Ein weiteres Beispiel unerträglicher Sprachverdrehung ist die Wandlung der Studenten hin zu den Studierenden. Das tut wirklich in den Ohren weh. Es handelt sich hier um Partizipien, also ehemals Ableitungen von „Tu-Wörtern“, die zu Nomen gemacht werden sollen und grammatikalisch ist das ziemlicher Unfug. Partizipien nämlich beschreiben Vorgänge und können sich nicht auf Eigenschaften beziehen, deshalb sind sie ungeeignet als Personenbezeichnungen. Stellen wir uns einfach einen Zeitungsbericht über eine Schießerei an einer Universität vor. Dann stünde dort z.B. „die Menge beweinte die sterbenden Studierenden“ – jetzt wird es klar, oder? Man kann nicht gleichzeitig sterben und studieren, das funktioniert in der Grammatik einfach nicht so und hört sich deshalb auch so merkwürdig an.
Von der Political Correctness zu trennen sind dabei die nervigen Anglizismen für deutsche Wörter. Das Wort Laptop hat sich eingebürgert, dabei steht das Wort „Klapprechner“ zur Verfügung. Das Wort „Handy“ ist zwar ein Anglizismus, allerdings versteht man den im englischsprachigen Ausland nicht, da „handy“ nicht Mobilfunktelefon heißt, sondern mobile bzw. mobile phone. Das Wort Handy haben wir Deutschen uns also selbst ausgedacht – ohne jede Not wie man sieht.
Man sieht – political correctness ist überall und drängt immer noch weiter nach vorn. Manchmal kommt sie verkleidet und harmlos um die Ecke, deshalb heißt es wachsam sein. Allerdings sollte wirklich einmal klar und deutlich gesagt werden, dass man Individuen nicht vor jeder Erfahrung schützen kann, die sie irgendwie als verletzend empfinden könnten. Am Ende kann jeder für sich in Anspruch nehmen, sich durch alles Mögliche beleidigt oder verletzt zu fühlen. Und das kann niemals das Ziel sein, denn damit wäre Kommunikation mitunter gar nicht mehr möglich.
Bis zum nächsten Mal!
Ihre
Corinna Miazga